"Erlkönig"


Wer schreitet so spät durch Maschinensaal und Flur,
Es ist Bernd, er arbeitet stur -
Er hat die PDP wohl in dem Arm,
Er faßt sie sicher, er hält sie warm.

"Mein Rechner, was birgst du so bang dein Gesicht?"
Siehst, Bernd, du das Grauen nicht?
Das Grauen in Netz und Kabel?
"Mein Rechner, sei still und halt den Schnabel."

"Du lieber Rechner, komm mit mit mir -
Gar schöne Spiele spiel ich mit dir -
Manch schöne Hacks sind in meinem Programm -
Ganz neue Tricks zeig ich dir dann."

Oh Bernd, mein Meister, und hörst du nicht,
was die UNIX mir leise verspricht?
"Sei ruhig, bleib ruhig, meine liebe Maschine,
Es ist das Klappern der Plotterschiene."

"Willst, feiner Rechner, du mit mir gehn?
Meine Verwalter sollen dich warten schön!
Meine User kraulen dir die Tastatur -
Für sie zu rechnen ist Freude pur!"

Oh Meister, oh Meister, und siehst du nicht dort -
vergammelte Computer an düsterem Ort?
"Mein Computer, mein Rechner, ich seh es genau -
es sind IBM's - vor Kummer ganz grau."

"Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt -
und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt!"
Oh Bernd, oh Meister, jetzt pingt sie mich an!
Die UNIX hat mir ein Leid angetan!

Bernd graust's, rennt los, ja das tut er,
Er hält in den Armen den ächzenden Computer -
Erreicht Raum 60 mit Müh und Not -
In seinen Armen die PDP war tot...


Jutta Schenda, 1993